Philipp Neu - Häuserbau auf finnische Art

Philipp absolvierte ein vierwöchiges Praktikum in Finnland und half als angehender Zimmerer dabei, ein wohnfertiges Haus aufzubauen

Soll ich? Oder ist die Zeit während meiner Ausbildung doch zu knapp? Als „Verkürzer“ fehlt mir das erste Lehrjahr und alle in diesem Jahr gelaufenen Inhalte muss ich eigenständig nacharbeiten. Wenn ich einen Austausch mache, fehlen mir wieder Lerninhalte!
Mit solch einer Frage bin ich in meine Planung für einen Erasmus+-Austausch eingestiegen. Soll ich? Oder soll ich nicht? – Ja, ich möchte gerne. Und ja, dann sollte ich auch! Reisen ist die schönste Abwechslung vom Alltag. Man sieht und lernt viel (und wenn mir das finanziert wird, ist es noch viel schöner). Aber wie läuft das ab?
Der einfachste Weg ist eine Mail. Über meine überbetriebliche Ausbildungsstelle wurde ich an Frau Hof, die Mobilitätsberaterin der Handwerkskammer Düsseldorf, vermittelt. Über erste E-Mails bekam ich einen weiteren Einblick in das ganze Geschehen, was auf mich zukommen wird.
Es sind die einfachen Fragen, die ausreichen und einen kurzfristig überfordern. In welches Land willst du denn? – Hmm! Also es muss ein Land sein, das mit Holz in Verbindung steht. Norwegen, Österreich und Finnland waren meine Favoriten, es gibt natürlich noch weitere Möglichkeiten, aber diese Länder haben mich gerade gereizt.
Gehst du in ein Hostel, eine Gastfamilie oder doch ein Airbnb-Zimmer? Mir bat sich irgendwann die Chance auf eine Gastfamilie, welche ich ergriffen habe, weil ein Zimmer über Airbnb ziemlich teuer gewesen wäre und ich so auch immer jemanden haben würde, der mir im Notfall weiterhelfen kann – was auch die richtige Entscheidung war. Meine Gastfamilie war die beste, die man sich nur wünschen kann.
Aber eine ganz andere Frage ist, was sagt mein Meister dazu? Schließlich muss er meinen Austausch mittragen, da ich im Betrieb ausfalle. Ich hatte Glück, mein Meister reist selber gerne und hat mich von Anfang an unterstützt.

Bei einem Treffen mit Frau Hof und meinem Lehrherr haben wir einige Fragen geklärt, wie zum Beispiel ein Betrieb im Gastland ausgewählt wird – über die Mobilitätsberater im Gastland, die über die dortigen Handwerkskammern mit den Betrieben im Kontakt stehen. Wie viel Geld ich bekommen werde? – Diese Frage wird über einen Schlüssel gelöst. Dort ist aufgelistet, wie hoch die Tagespauschale ist. Auch einen Zeitraum haben wir festgelegt. Vor Oktober soll mein Austausch stattfinden. Nach diesem Treffen stand fest – ich werde ins Ausland gehen.
Nun ging es los, Frau Hof hat ihre Kollegen und Kolleginnen in den von mir vorgegebenen Ländern kontaktiert und schnell stellte sich heraus, dass Finnland die einzige Option ist. Finnland – klasse! Die Holzindustrie macht dort 20 Prozent der Exporte aus und ist damit die drittgrößte Branche. Also genau richtig.
Nach einiger Zeit bekam ich Fotos und erfuhr, dass ich an eine Schule kommen werde, die ähnlich ist wie das BZB (Bildungszentrum des Baugewerbes), meine überbetriebliche Ausbildungsstätte. In Finnland baut diese Schule jedoch Häuser, die sie später verkauft! Als Vorteil sah ich an, dass dort Jugendliche in meinem Alter sein würden, so dass die Konversation leichter fallen würde, weil man mehr Berührungspunkte hat. Außerdem wusste ich nicht, ob sich durch meine zeitliche Bindung ein anderes Angebot schnell genug finden lassen würde, weswegen ich zusagte.
Ich musste mich des Weiteren auch für eine Organisation entscheiden, die mich bei meinem Austausch finanziell unterstützen sollte. Es gibt ein paar Organisationen, die sich auf einem Flyer, den ich von Frau Hof bekommen hatte, vorstellen. Die Förderung unterscheidet sich beispielsweise im Zeitraum des geförderten Aufenthalts. Meine Entscheidung fiel auf das Stipendium „Euro Mobility Projekt“, welches von der Mobilitätsberatung der Hessischen Wirtschaft gefördert wird.

Nun wurde ich mit Mails und Formularen überschüttet. Einige für mich, einige zum Ausfüllen und Zurückschicken, andere für meinen Chef und wieder andere für meinen Gastbetrieb. In dieser Zeit habe ich einige Mails geschrieben. Aber irgendwann hatte ich alle Unterschriften eingeholt, bestätigen lassen und alles erledigt. Nun konnte es losgehen!
Von meiner Gastfamilie habe ich erfahren, wo ich wohnen werde, wie sie heißen, wer was macht und habe einen Einblick in ihr Leben bekommen und mich gleichzeitig bei ihnen vorgestellt. Jede Mail, die ich bekommen habe, war mit neuen Fragen gefüllt und ich wurde herzlichst aufgenommen. Natürlich alles auf Englisch! Wir machten Pläne, was wir machen können, was nett zu besichtigen ist, was ich gerne esse, wo ich schlafen werde; alle wichtigen Fragen konnte ich im Voraus klären, weswegen ich ganz entspannt am 02.09.2017 in mein Flugzeug nach Helsinki steigen konnte.
Meine Reise begann etwas holprig und startete damit, dass mein Koffer am Flughafen in Düsseldorf vergessen wurde und nicht mit mir landete. Meine Gastfamilie, die mich am Flughafen abholte, wartete und wartete, denn ich kam lange nicht, weil ich erst klären musste, was mit meinem Koffer geschieht. In der Gastfamilie angekommen, bekam ich alles Nötige zur Verfügung gestellt. Am nächsten Morgen fuhren wir trotzdem zu einem Shopping Center, damit ich mir das Nötigste kaufen konnte, damit ich die ersten Tage ohne Koffer auskommen konnte.
Am Montag den 04.09.2017 startete mein Austausch. Mein Lehrer holte mich morgens Zuhause ab und wir fuhren gemeinsam zur Schule. Er stellte mich allen vor, zeigte mir die Räumlichkeiten und Baustellen, so dass ich am nächsten Tag geschult anfangen konnte. Auch Arbeitskleidung bekam ich, weil meine Zunft noch im Koffer irgendwo zwischen Düsseldorf und Helsinki verschollen war. Die Arbeitskleidung in Finnland ist ausschließlich neonfarben, so dass man in der Dunkelheit gut gesehen wird. Zunftkleidung trägt dort keiner. Auch der Helm ist Pflicht.

Die Arbeit auf der Baustelle leitete ein anderer Lehrer, der leider kein Englisch konnte. Auch die meisten Schüler sprachen kein Englisch. Aber die, die Englisch konnten, waren auf meinem Niveau und wir konnten uns verständigen und sie machten den Übersetzer für mich, wenn der Lehrer etwas erklärte.
Das Projekt der finnischen Schule, „Wir bauen ein Haus“, finde ich hervorragend. So kann man die Entstehung eines Hauses in seinen Einzelheiten sehen, erfahren und begleiten. Was ich als Problem an dem Projekt sehe, ist, dass die Entstehung fast drei Jahre dauert. Dennoch weiß ich, dass ein schnelleres Vorrankommen nicht umsetzbar ist: Ein Lehrer hat die Aufsicht über 15 bis 20 Schüler, die er motivieren, beschäftigen und kontrollieren muss. Bei einer produktiven Arbeitszeit von weniger als 28 Stunden in der Woche – kaum machbar.
Wenn man nach 4 Woche feststellt, dass morgen Abreise ist und dass die Zeit viel zu kurz war, dann weiß man, es war die richtige Entscheidung, einen Austausch zu machen. Auch, dass die Zeit nicht verschwendet war. Bei Langeweile werden die Tage länger und man möchte früher nach Hause zurückkehren. Dieses Gefühl hatte ich nicht, im Gegenteil, mich reizte es länger zu bleiben und zu sehen wie das Projekt zu Ende geht.
Ich rate jedem, dem ich von meinem Austausch erzähle zu einem gleichen Projekt, weil die Zeit unfassbar lehrreich und schön war. Im Anschluss an das Projekt muss man gegebenenfalls etwas für die Schule nacharbeiten, aber die Erlebnisse, die man gesammelt hat, die hat man für immer und die hat kein anderer. Auch das Feedback von meinen Lehrern und meiner Gastfamilie zeigt mir, dass ich mich in das Familien- und Arbeitsleben sehr gut einleben und integrieren konnte. Für einen erneuten Besuch in Finnland bin ich bereits eingeladen. Lappland soll das nächste Ziel sein. Zur Winterzeit muss es besonders schön sein. Ich freue mich schon wiederzukommen!